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Letzte Worte zu The Flash

Letzte Worte zu The Flash

Wenn Barry Allen als The Flash im gleichnamigen Film ganz schnell flitzt, wird alles um ihn herum zu Recycling-Suppe. Anstatt mal konsequent Tabula rasa zu machen, erzeugt der Butterfly Effect beim Zeitreisen hier nur eine Verkettung starbesetzter Insider-Jokes. Das macht kurz ein wenig Spaß, wenn man nicht zu viel darüber nachdenkt. Aber genau das mache ich jetzt.

Barry Allen, Batman & Supergirl auf dem Poster von The Flash zum Filmkritik-Artikel Letzte Worte.

Originalbild: The Flash / © Warner Bros. (2023)

Falls offensichtlich angedeutete Spoiler über Cameos euer Kryptonit sind, bleibt diesem Text lieber fern. Ich setze außerdem voraus, dass Leser ein gewisses Grundwissen über die bisherige Filmwelt von DC Comics mitbringen. Wer meinen Artikel lieber vorgelesen bekommen möchte, kann außerdem hier den Podcast dazu hören.

Steckt besser Zahnstocher zwischen die Augenlider, wenn ihr euch The Flash anguckt. Sonst verpasst ihr noch die Momente, an die wir uns beim neusten und zugleich vorletzten DCEU-Abenteuer hinterher noch am ehesten erinnern werden. Es sind extrem künstlich aussehende 3D-Renderings verstorbener und noch lebender Superheldendarsteller vergangener Zeiten, aber auch die digitale Wiederbelebung eines gescheiterten Superman-Kultprojekts, die für ein paar Sekunden Fanbait-Extravaganz auf der Leinwand sorgen.

Dass die als schwebende Dioramen etwas billig in den Hintergrund getackert wirken, ästhetisch außerdem mehr an passable Videospiel-Cutscenes erinnern, trübt den Geschmack dieser Memberberries in The Flash natürlich. Auf der anderen Seite muss ich gestehen, dass ich im Kino einmal leise aufgeregt zu mir gedacht habe: “Ich kann einfach nicht glauben, dass ich zu Lebzeiten tatsächlich einmal Schauspieler XY ganz offiziell in der Rolle des XY auf der großen Leinwand erleben darf.” - Egal wie kurz, egal wie unbedeutend und seelenlos.

Wer The Flash gesehen hat, wird keine Probleme damit haben, die Chiffren im obigen Satz selber auszufüllen. Dass ich bei näherem Überlegen dennoch zu dem Schluss komme, selbst als Geek-Fantasie-Nostalgie-Feuerwerk reicht das eigentlich so vorne und hinten nicht aus, hat auch viel mit dem Schlusspunkt des Films zu tun.

Mit dem abschließenden Cameo-Auftritt eines prominente Schauspielers, der vor langer Zeit mal ein Cape und Latexnippel nach Vorlage von DC Comics getragen hat, überspannt Regisseur Andy Muschietti (ES - Part I & II) den Fanservice-Bogen ganz am Ende total unnötig in eine Richtung, die seinen Film plötzlich bloß wie einen albernen Witz dastehen lässt. Eine Reihe wirkungsloser Insider-Jokes, über die man sich als Fan erst kurz freut, bevor es einem dämmert, wie ungehaltvoll all das letztendlich im Stile einer Freizeitpark-Maskottchen-Parade an einem vorbei geflitzt ist.

Zarte Knospen monumentaler Huldigung der Helden vergangener Popkulturzeitalter und der emotionale Kern von Barry Allens persönlicher Charakterreise verpuffen in einem lieblos hingeworfenen Sketch, als wäre das Resultat nach 2 Stunden und 24 Minuten so nahrhaft und wichtig für das übergreifende DC-Multiversum wie ein Nespresso-Fernsehwerbespot.

Mehrere Regisseurswechsel, ein wandelndes PR-Disaster als Hauptdarsteller und zahlreiche Nachdrehs. Jahrelang wurde aus Hollywood viel über The Flash berichtet, nur halt nie was gutes. Das Schicksal des unveröffentlicht entsorgten Batgirl-Films blieb ihm aber erspart. Wohl, so wurde vermutet, weil dessen Zeitreise-Multiversums-Story nach Vorlage der ikonischen Flashpoint-Comics einen sanften Übergang ins Reboot der DC-Film-und-Serienwelt unter Leitung von James Gunn (Guardians of the Galaxy) darstellen würde. Barry Allen hätte das 2013 von Zack Snyder begonnene Konstrukt und die von Snyder gecasteten Hauptdarsteller mit einem befriedigenden Finale in sich kollabieren lassen und sein Publikum seicht-versöhnlich darauf einstimmen sollen, dass von nun an alles noch einmal neu anfangen würde. Nur ganz anders.

Genau das macht The Flash aber eben gar nicht. Viel mehr als ein abstraktes “Haha, jeder Film und jede Serie basierend auf DC-Helden schwebt irgendwo da draußen im Multiversum als seine eigene Bubble umher, hat aber alles trotzdem nix mit unseren aktuellen und kommenden Kinofilmen zu tun.”, fügt dieser Film der Gleichung nicht hinzu. Ein billiger Versuch, jeden noch so nischigen Nerd damit zu besänftigen, dass so ja offiziell weiterhin alles im entferntesten Kanon ist: “Wir machen was neues, aber das heißt ja nicht, euer altes gibt’s nicht mehr.” (fiktive Aussage eines imaginären Warner-Bros-Studiochefs).

Die Tragweite ist in etwa vergleichbar damit, dass in Dialogen von The Eternals die Existenz von Batman-Comics innerhalb der Marvel-Welten bestätigt wurde oder dass Stan Lee in einem MCU-Film das Script von Mallrats in der Hand gehalten hat. Supermenschen und Batmen aus unterschiedlichen Inkarnationen winken dem Flash mal kurz aus der Ferne, indem sie eigentlich alle nur ratlos herumstehen und ein wenig dumm gucken, alle fliegen aber genau genommen bloß aneinander vorbei.

Bis auf, natürlich, Michael Keaton und dieser andere Bruce Wayne, von dem ich vorhin mit einer Spoiler-verhindernden Kaffeekapsel zwischen den Zähnen sprach. Wie schon bei den drei Spider-Men aus No Way Home gibt sich das Drehbuch selbstverständlich keine Mühe, irgendwie zu begründen, warum Bruce Wayne in parallelen Universen mehrmals komplett unterschiedlich aussieht, obwohl er doch immer dieselben Eltern hat und sein Leben auch insoweit nicht groß anders abgelaufen sein kann, weil er ja immerhin stets zu Batman wurde.

Wenn Barry Allen als Flash im Film ganz schnell rennt, läuft er in die Vergangenheit. Weil er auf diesem Wege seine Mutter davor bewahren möchte, während seiner Kindheit erstochen zu werden, bedient er sich des Zurückspulens und löst so den Beginn einer neuen Timeline aus, in der ab da alles anders lief. Und vorher irgendwie auch. Würde man meinen. Irgendwie lief aber alles fast genau so, außer wenn’s das Drehbuch gerade braucht.

Ein Blitz schlägt zum Beispiel immer noch da ein, wo immer noch genau die richtigen Chemikalien stehen, damit Barry Allen immer noch seine Kräfte bekommen kann. Superman wurde zwar als Kind getötet, General Zod erscheint aber einfach trotzdem zum exakt selben Zeitpunkt auf der Erde, um seinen exakt selben Plan durchzuführen, wie in Man of Steel gesehen.

Batman auf der anderen Seite kriegt die volle Radikalveränderung ab. Hat ein anderes Gesicht und ein Batmobil im Retro-Design, ist darüber hinaus zum Zeitpunkt der neuen Timeline viel, viel älter als es Bruce Wayne zu einem zeitlich gesehen späteren Zeitpunkt in der Ben-Affleck-Version von Justice League war… wirklich, fangt besser nicht an, weiter darüber nachzudenken. Was wir hier erzählt bekommen ist zum einen banal egozentrisch auf Barry Allen zugeschnitten, gleichzeitig so sehr aus eigenen Altlasten direkter Vorgängerfilme recycelnd, aber dann punktuell doch wieder um ganz neue Elemente wie aus dem Nichts kommend angereichert, dass sich während des Films keine innere Logik eines Zeit- oder Multiversumskonzepts nachvollziehbarer Kausalitäten einzustellen vermag.

Anstatt erzählerisch durchdachte Brücken zwischen alternativen Universen und deren Versionen ihrer Helden und Widersacher zu schlagen, werden diese einfach sorglos wie Actionfiguren von einer Kiste in eine andere gelegt, performen dann nur noch das ikonische Abbild, das sie im Kanon der populären Popkultur inne haben. Das macht weder für die Figuren, noch für die Welten, in die sie platziert werden, wirklich Sinn. Sie werden ohne Konsequenzen aus jenem Framework gerissen, das sie einst maßgeblich geprägt und geerdet hat. Tauchen nun aber wie selbstverständlich im völlig anderen Setup von The Flash auf, als mache das für sie überhaupt keinen Unterschied.

Obwohl mir all dieser Unfug schon im Kino sehr bewusst wurde: Keatons neuerliche Batman-Rückkehr, diese unverwüstliche Präsenz, untermalt vom original Danny-Elfman-Theme der Burton-Filme, hat mir The Flash irgendwie dennoch gerettet.

Und viel mehr Freude bereitet, als in der Anfangsszene nochmals erdulden zu müssen, wie qualvoll gepresst Ben Affleck sich in seiner hoffnungslos zu eng gewordenen Neoprenmaske abmüht, nicht komplett albern zu wirken. Batfleck wie ein vollanimiertes Mega-Gummibärchen durch die Straßen titschen zu sehen, während Ezra Miller in einer komödiantisch schlechten Super-Speed-Zeitlupensequenz gruselige CGI-Klone des Babys aus Resident Evil: Village rettet, hat Albtraumpotenzial.

Wenn DCEU-Kurzauftritt-Queen Gal Gadot sich am Ende der Sequenz als Wonder Woman dazu gesellt und das Trio so aussieht, als hätten drei Menschen ohne jegliche Chemie zwischeneinander an Karneval beschlossen, Greenscreen-Fotos von sich in Kostümen zusammen zu montieren, um bei Social Media so zu tun als wären sie auf eine Party eingeladen gewesen, bereue ich sofort, bei Zack Snyder’s Justice League dem bösen Darkseid mit seiner Anti-Life Equation nicht stärker die Daumen gedrückt zu haben.

Gehört der Filmstart zum schlechtesten, was das DCEU von Warner Bros. bis hierhin zu bieten hatte, konnte mich manches andere danach bei The Flash durchaus positiv überraschen und kurzweilig sogar gut unterhalten. Ezra Miller spielt seine Doppelrolle als erfahrener, gereifter sowie parallel dazu als jüngerer, inkompetenter Barry Allen überzeugend. Wir sehen viel mehr von Michael Keatons Batman als erwartet und das neu eingeführte Supergirl (Sasha Calle) hätte über diesen Auftritt hinaus sogar Lust auf mehr gemacht.

Nichts an diesem Film funktioniert überragend, bei vielen Computereffekten dominiert unspektakulär künstlicher Renderlook, aber Batman und seine Fahrzeuge nach Tim Burtons Vorlage von ‘89 und ‘92 in modernen Actionszenen zu sehen, macht auf ganz simplem Level irgendwie Spaß. Alles hätte gerne weniger generisch ablaufen dürfen, hier und da haben mich Logikfehler wie gesagt schon auch gestört. Ich fand aber weitestgehend kaum etwas so dumm und nervig oder schlimmer, langatmig, dass es für einen schnell wieder vergessenen Popcorn-Unterhaltungsfilm in der gebotenen Form nicht unterm Strich noch akzeptabel wäre.

Es wundert mich nur. Es wundert mich zutiefst, dass diese Steilvorlage eines Serienfinales nicht genutzt wurde. Wenn doch eh alles verloren ist, warum nicht in einer Supernova verglühen. Infinity War, aber der Snap wird nie rückgängig gemacht und tötet einfach alle. Vorausgesetzt es bleibt ein hoffnungsvoller Rest Sternenstaub für den Neustart übrig. Wenn nicht jetzt, dann nie!(?)

Das gespaltene Fandom der DC-Filme von Warner Bros. hätte mit etwas mehr Elan und Mut zur Selbstzerstörung noch einmal für eine Zack-Snyder-basierte Riesenparty zusammenegbracht werden können. Und was kriegen wir als Abschluss stattdessen in letzter Konsequenz? Eine Szene in der Art eines Furzkissens, das auf einer Beerdigung platziert wurde. Als wäre dieser ganze Film für alle Beteiligten schlussendlich doch nur ein großer, mehr als 220 Millionen Dollar teurer Witz gewesen.


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